(Original)
(Übersetzung von Georg Finsier)
Hilff, herr gott,
Hilf, Herr Gott,
hilff in diser not!
hilf in dieser Not!
Ich mein, der tod
Ich mein', der Tod
sey an der thür.
sei an der Tür.
Stand, Christe, für;
Christ', bleib' bei mir;
dann du in überwunden hast!
denn Du ihn überwunden hast!
Zu dir ich gilff:
Zu Dir ich schrei';
Ist es dein will,
Ist es Dein Will',
züch uss den pfyl,
zieh aus den Pfeil,
der mich verwundt!
der mich verwund't!
Nit lasst ein stund
Es läßt kein Stund
mich haben weder ruw noch rast!
mich haben weder Ruh noch Rast!
Wilt du dann glych
tod haben mich
in mitz der tagen min, so sol es willig sin.
Kommt doch der Tod
auf Dein Gebot inmitten meiner Tag,
so folg ich ohne Klag.
Thu, wie du wilt:
Ist doch dein Will'
mich nüt befilt.
mir nicht zuviel.
Din haf 1) bin ich.
Dein Ton bin ich.
Mach gantz ald brich;
Form oder brich;
dann, nimpst du hin
denn nimmst Du hin
den geiste min
mir Geist und Sinn
von diser erd,
von dieser Erd,
thust du's, dass er nit böser werd,
tust Du's, daß er nicht böser werd,
ald andem nit
und andem nicht
befleck ir läben fromm und sit 2).
befleck ihr Leben fromm und licht.
2) Inmitten der Krankheit
Tröst, herr gott, tröst!
Tröst, Herr Gott, tröst!
Die kranckheit wachsst,
Die Krankheit wächst,
wee und angst
Weh und Angst faßt
faßt min seel und lyb.
mein Seel und Leib.
Darumb dich schyb
Darum, o bleib
gen mir, einiger trost, mit gnad,
bei mir, einziger Trost, mit Gnad,
die gwüss erlösst
die gern erlöst
ein yeden, der
ein' jeden, der
sin hertzlich bgär
all sein Begehr
und hoffung setzt
und Hoffnung setzt
in dich, verscherzt
in Dich und schätzt
darzu diss zyt all nutz und schad.
gering all zeitlich Nutz und Schad.
Nun ist es umm.
Nun ist es um.
Min zung ist stumm,
Mein Zung ist stumm,
mag sprechen nit ein wort.
mag sprechen nicht ein Wort.
Min sinn sind all verdort.
Mein Sinn sind all verdorrt.
Darumb ist zyt,
Drum ist es Zeit,
dass du min stryt
daß meinen Streit
fuerist fürhin,
Du führst fürhin,
so ich nit bin
da ich nicht bin
so starck, dass ich
so stark, dass ich
mög dapfferlich
mög' tapferlich
tun widerstand
tun Widerstand
des tüfels facht und fränner hand.
des Teufels Netz und Frevlerhand.
Doch wirt min gmuet
Doch mein Gemüt
stät blyben dir, wie er ioch wuet.
stets bleibt bei dir, wie er auch wüt'.
3) In der Besserung
G'sund, Herr Gott, gsund!
G'sund, Herr Gott, g'sund!
Ich mein', ich ker
Ich mein', ich kehr
schon widrumb her.
schon wied'rum her.
Ja, wenn Dich dunckt,
Ja, wenn Dich dünkt,
der sünden funck
daß nimmer sinkt
werd nit mer bherrschen mich uff erd,
mein Wesen in der Sünde Macht,
so muss min mund
so muß mein Mund
din lob und leer
Dein Lob und Lehr
ussprechen mer
aussprechen mehr
denn vormals ye,
denn vormals je,
wie es ioch gen,
- wie es auch geh -
einfaltigklich on alle gferd.
einfältiglich bei Tag und Nacht.
Wiewol ich muss
Obschon ich muss
dess todes buss
des Todes Buss
erleyden zwar ein mal
erleiden zwar einmal
vilicht mit grösserm qual,
vielleicht mit grössrer Qual,
dann yetzund wer
als jetzt es mir
geschähen, her,
geschehen schier,
so ich sunst bin
da fast ich bin
nach gfaren hin;
gefahren hin;
so wil ich doch
so will ich doch
den trutz und boch
trotzig Gepoch
in diser wält
auf Erden schon
tragen frölich umb widergelt
ertragen froh um Himmelslohn
mit hilffe din,
mit Hilfe Dein,
on den nüt mag vollkommen sin.
ohn' den nichts kann vollkommen sein!
1) "Hafen" = Topf, Krug, Geschirr. Zwingli nimmt hier Röm 9,20ff auf. Dies ist die grundlegende Stelle für Zwinglis Erwählungs-, Berufungs- und Yorsehungsglauben.
2) "sit" - Sitte oder sittsam.
3) "gferd" = Gefährdung. Hier denkt Zwingli wohl nicht an die äussere Gefahr für den Verkündiger, wonach sein Leben für seine Überzeugung in Gefahr kommt, sondern an die Gefahr einer Abweichung oder eines Abfalls von seiner Berufung, die er eben in der Krise des "Pest"-Erlebnisses überwunden hat.
Aus Ernst Saxer: Huldrych Zwingli. Ausgewählte Schriften. 1988