Südkoreanische Autorin Nobelpreis für Literatur geht an Han Kang
Die Preisträgerin der renommiertesten literarischen Auszeichnung der Welt steht fest: Han Kang. Damit geht der Preis zum ersten Mal nach Südkorea. Die Autorin wird für »ihre intensive poetische Prosa« ausgezeichnet.
10.10.2024, 17.03 Uhr
Der Literaturnobelpreis geht in diesem Jahr an die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang . Das gab die Schwedische Akademie in Stockholm bekannt. Die Autorin ist die erste Preisträgerin aus Südkorea. Sie ist mit 53 Jahren für eine Nobelpreisträgerin relativ jung.
Die Nobelpreisjury zeichnet Han Kang aus »für ihre intensive poetische Prosa, die sich historischen Traumata stellt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt«, wie der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, bei der Preisbekanntgabe in der Stockholmer Altstadt sagte.
Han Kangs Werke erscheinen in deutscher Sprache beim Aufbau Verlag. International bekannt wurde sie mit dem 2016 von Ki-Hyang Lee ins Deutsche übersetzten Roman »Die Vegetarierin«, für den sie auch mit dem internationalen Booker Prize ausgezeichnet wurde. Die Protagonistin im ursprünglich 2007 erschienenen Buch, eine unscheinbare Hausfrau, isst eines Tages kein Fleisch mehr, duldet auch keines mehr im Haus, stößt damit auf brachiales Unverständnis, wird magersüchtig und träumt von einem Leben als Pflanze, die nur mit Sonnenlicht auskommt.
Die Autorin kam 1970 in Gwangju im Südwesten Koreas zur Welt. Ihr Vater war bereits Schriftsteller, arbeitete aber auch als Lehrer. Anfang 1980 zog die Familie in die Hauptstadt Seoul, vier Monate bevor in Gwangju ein Volksaufstand gegen das damalige Militärregime brutal niedergemetzelt wurde. Zu einem traumatischen Kindheitserlebnis für Han Kang wurde später ein Fotoband über das Massaker, den sie im Bücherregal der Eltern entdeckte. 2017 erschien auf Deutsch der Roman »Menschenwerk« (Original 2014), eine literarische Aufarbeitung der Ereignisse in Gwangju.
1993 veröffentlichte Han Kang ihre ersten Gedichte, die erste Kurzgeschichtensammlung erschien 1995. 1999 wurde sie mit dem Preis für den besten koreanischen Roman ausgezeichnet. Die Autorin habe »ein einzigartiges Bewusstsein für die Verbindungen zwischen Körper und Seele, den Lebenden und den Toten«, würdigte die Akademie , mit »ihrem poetischen und experimentellen Stil« sei sie »eine Erneuerin der zeitgenössischen Prosa«.
Akademiesprecher Malm berichtete, er habe mit Han Kang telefonieren können. Sie habe einen gewöhnlichen Tag in Seoul verbracht, er habe sie erreicht, als sie gerade mit ihrem Sohn zu Abend gegessen hatte. Sie sei völlig unvorbereitet gewesen, man habe aber bereits mit ersten Planungen für eine Reise nach Skandinavien begonnen. In der schwedischen Presse wurde besonders vermerkt, dass die Preisträgerin in jungen Jahren von Astrid Lindgrens »Die Brüder Löwenherz« inspiriert wurde. Han Kang leidet immer wieder unter schmerzhaften Migräneattacken, die sie in ihrem autobiografischen Werk »Weiß« thematisiert.
Seit der ersten Preisvergabe im Jahr 1901 sind insgesamt 120 Literaturnobelpreisträgerinnen und -preisträger benannt worden, mehrheitlich männliche Autoren aus Europa. Ausgezeichnet wurden nur 17 Frauen, acht davon in den vergangenen 20 Jahren. 2023 erhielt der norwegische Autor Jon Fosse den Preis, 2022 die Französin Annie Ernaux . Es war allgemein erwartet worden, dass eine außereuropäische Autorin geehrt würde. In den Listen der Wettbüros war aber vor allem die chinesische Autorin Can Xue hoch gehandelt worden.
Feierlich überreicht werden die prestigeträchtigen Nobelmedaillen traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833–1896). Die Auszeichnungen sind in diesem Jahr erneut mit einem Preisgeld in Höhe von elf Millionen schwedischen Kronen (knapp 970.000 Euro) dotiert.
feb/dpa/AFPA