WATCH TOWER
BIBLE AND TRACT SOCIETY
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Sehr verehrter H e r r R e i c h s k a n z l e r !
Am 25. Juni 1933 tagte in Berlin in der Sporthalle Wilmersdorf eine ca.
5000 Personen umfassende und mehrere Millionen Deutscher repräsentierende Ver-
treterkonferenz der Bibelforscher Deutschlands (Zeugen Jehovas), welche bereits
seit vielen Jahren Freunde und Anhänger dieser Bewegung sind. Der Zweck dieser,
von den Abgeordneten der einzelnen Bibelforschergemeinden Deutschlands besuchten
Tagung war, Mittel und Wege zu finden, um dem Hernn Reichskanzler und den übri-
gen hohen Regierungsbeamten des Deutschen Reiches sowohl, als allen Länder-
regierungen Kenntnis zu geben von folgendem:
Gegen eine auf dem Boden positiven Christentums stehende Vereinigung
ernster, christlicher Männer und Frauen wurden und werden in einzelnen Landes-
teilen Massnahmen ergriffen, die in ihrem Ursprung lediglich als die Verfolgung
von Christen, durch andere Christen anzusprechen sind, weil die - diese Massnahmen
auslösenden - gegen uns erhobenen Anschuldigungen meistens von klerikaler, be-
sonders katholischer Seite aus erhoben wurden und unwahr sind.
Absolut überzeugt von der völligen Objektivität der die Angelegenheit
bearbeitenden Regierungsstellen und Beamten, ersehen wir trotz allem, dass -
einerseits wohl wegen des Umfanges unserer Literatur und andererseits wegen
starker Inanspruchnahme der betreffenden Sachbearbeiter - der Inhalt unserer Lite-
ratur und der Sinn unserer Bewegung grösstenteils falsch beurteilt wird, und
zwar nach dem, was unsere religiösen Gegner - Vorurteil bewirkend - gegen uns
vorbringen.
Darum ist das auf dieser Konferenz Besprochene in beigefügter Erklärung
der Watch Tower Bible and Tract Society niedergelegt, um es Ihnen, Herr Reichs-
kanzler, sowie den hohen Regierungsstellen des Deutschen Reiches und der Länder
zu überreichen als Dokumentierung der Tatsache, dass die Bibelforscher Deutsch-
lands als einziges Ziel ihrer Arbeit nur beabsichtigen, die Menschen zu Gott zu-
rückzuführen und den Namen Jehovas, des Allerhöchsten, des Vaters unseres Herrn
und Erlösers Jesus Christus, auf Erden zu bezeugen und zu ehren. Wir wissen be-
stimmt, dass Sie, Herr Reichskanzler, solche Tätigkeit nicht stören lassen werden.
Die Bibelforschergemeinden Deutschlands und ihre Glieder sind allge-
mein bekannt als Hort wahrhafter Ehrfurcht vor dem Allerhösten und als eifrige
Pfleger sorgsamer Bibelforschung. Örtliche Polizeibehörden werden immer bestä-
tigen müssen, dass Bibelforscher absolut zu den ordnungsliebenden und -erhaltenden
Elementen des Landes und Volkes zu zählen sind. Ihre einzige Mission ist Werbung
der Menschenherzen für Gott.
Die Watch Tower Bible and Tract Society ist die oranisierende Missions-
zentrale der Bibelforscher (für Deutschland: Sitz Magdeburg).
Das Brooklyner Präsidium der Watch Tower-Gesellschaft ist und war seit
jeher in hervorragendem Masse deutschfreundlich. Aus diesem Grunde wurde im
Jahre 1918 der Präsident der Gesellschaft und die sieben Glieder des Direktoriums
in Amerika zu 80 Jahren Zuchthaus verurteilt, weil der Präsident sich weigerte,
zwei von ihm in Amerika geleitete Zeitschriften zur Kriegspropaganda gegen
Deutschland zu gebrauchen. Diese Zeitschriften "The Watch Tower" und "Bible
Student" waren die beiden einzigen Zeitschriften Amerikas, die eine Kriegspropa-
ganda gegen Deutschland verweigerten und darum während des Krieges in Amerika
auch verboten und unterdrückt wurden.
In gleicher Weise hat sich das Präsidium unserer Gesellschaft in den
letzten Monaten nicht nur geweigert, an der Greulpropaganda gegen Deutschland
teilzunehmen, sondern hat sogar dagegen Stellung genommen, wie dies auch in der
beigefügten Erklärung unterstrichen wird durch den Hinweis, dass die Kreise,
welche diese Greulpropaganda in Amerika leiten (Geschäftsjuden und Katho-
liken), dort auch die rigerosesten Verfolger der Arbeit unserer Gesellschaft und
ihres Präsidiums sind. Durch diese und andere in der Erklärung enthaltenen Fest-
stellungen soll die Zurückweisung der Verleumdung, Bibelforscher würden durch die
Juden unterstützt, erfolgen.
Die Vertreterkonferenz dieser fünftausend Delegierten nahm mit grosser
Befriedigung Kenntnis von der durch den Herrn Regierungspräsidenten zu Magdeburg
erfolgten Feststellung, dass die von unseren kirchlichen Gegnern behauptete Be-
ziehung zwischen Bibelforschern und Kommunisten oder Marxisten nicht erweisbar
sei (also auch eine Verleumdung ist). Ein diesbezüglicher Pressebericht, ent-
halten in der Magdeburger Tageszeitung Nr. 104 vom 5. Mai 1933, lautet:
Eine Erklärung der Regierung zur Besetzung des Bibelforscher-Hauses. - Die Pressestelle der Regierung teilt mi: "Die polizeiliche Besetzung des Grundstücks der "Vereinigung der ernsten Bibelforscher" in Magdeburg ist am 29.April aufgehoben worden, weil kein belastendes Material hinsichtlich der behaupteten kommunistischen Betätigung gefunden worden ist."
Ferner: Magdeburger Tageszeitung Nr. 102 vom 3. Mai 1933:
"Vom Büro der Bibelforschervereinigung wird uns mitgeteilt, dass die Aktion, die von der Polizei gegen die Wachtturmgesellschaft und Bibelforschervereinigung eingeleitet wurde, inzwischen gänzlich aufgehoben worden ist. Ferner wurde alles freigegeben, da die sorgfältig durchgeführte Durchsuchung ergab, dass sich die Gesellschaft weder in politischer noch in krimineller Hinsicht irgend etwas zuschulden kommen [???], und weil weiter festgestellt wurde, dass die beiden Gesellschaften absolut unpolitisch und streng religiös sind. -
Von der Regierung wurde uns auf Anfrage die Richtigkeit dieser Angaben bestätigt."
Die Vertreterkonferenz dieser fünftausend Delegierten betonte, dass sie
es nach dieser Sachlage unter ihrer Würde halte, sich fernerhin überhaupt noch
gegen die verächtliche Verdächtigung marxistischer oder gar kommunistischer
Betätigung verteidigen zu müssen. Diese widerlegten Verleumdungen unserer
religiösen Gegner tragen eindeutig das Signum religiöser Konkurrenz, die einen
ehrlichen Mahner statt mit Gottes Wort, mit dem wenig schönen Mittel der Ver-
leumdung erdrosseln möchte.
Weiter wurde auf dieser Konferenz der fünftausend Delegierten - wie in
der Erklärung ausgedrückt - festgestellt, dass die Bibelforscher Deutschlands
für dieselben hohen ethischen Ziele und Ideale kämpfen, welche die nationale
Regierung des Deutschen Reiches bezüglich des Verhältnisses des Menschen zu Gott
proklamierte, nämlich: Ehrlichkeit des Geschöpfes gegenüber dem Schöpfer!
Auf der Konferenz wurde festgestellt, dass in dem Verhältnis der Bibel-
forscher Deutschlands zur nationalen Regierung des Deutschen Reiches keinerlei
Gegensätze vorliegen, sondern dass im Gegenteil - bezüglich der rein religiösen,
unpolitischen Ziele und Bestrebungen der Bibelforscher - zu sagen ist, dass
diese in völliger Übereinstimmung mit den gleichlaufenden Zielen der nationalen
Regierung des Deutschen Reiches sind.
Unter Berufung auf die angeblich harte Sprache unserer Literatur er-
folgten einige Verbote unserer Bücher. Die Konferenz der fünftausend Delegierten
verwies dazu auf den Umstand, dass der beanstandete Inhalt der Bücher doch nur
Bezug nimmt auf Zustände und Handlungen im Anglo-Amerikanischen Weltreich, und
dass dieses - speziell England - doch für den Völkerbund und die auf Deutschland
gelegten ungerechten Verträge und Lasten verantwortlich zu machen ist. Das im
obigen Sinne unserer Literatur Gesagte richtet sich also doch - einerlei, ob in
finanzieller, politischer oder ultramontaner Beziehung - gegen die Bedrücker des
deutschen Volkes und Landes, aber doch nicht gegen das sich gegen diese Lasten
sträubende Deutschland, so dass die erfolgten Verbote absolut unverständlich sind.
Für diejenigen deutschen Ländergruppen, in denen sogar Verbote der
Bibelforscher-Gottesdienste, Verbote ihrer Gebetsversammlungen usw. vorliegen,
und die seit vielen Wochen auf eine gerechte Lösung dieses, ihr religiöses Leben
knebelnden Zustandes warten, wurde folgendes ausgedrückt:
Wir wollenauch weiterhin den erlassenen Verbotsanordnungen Folge
leisten, denn wir sind gewiss, dass der Herr Reichskanzler bzw. die einzelnen
hohen Länderregierungen diese Massnahmen - durch welche zehntausende christ-
liche Männer und Frauen schliesslich einem dem Urchristen-Leiden verleichbaren
Märtyrertum verfallen müssten - nach Kenntnis der wirklichen Sachlage
aufheben werden.
Endlich bekundete diese Konferenz der fünftausend Delegierten, dass die
Bibelforscher- bzw. die Wacht-Tower-Organisation eintritt dür die Aufrecht-
erhaltung von Ordnung und Sicherheit des Staates, sowie für die Förderung der
vorerwähnten, auf religiösem Gebiet liegenden hohen Ideale dernationalen Re-
gierung. Um hiervon vor allen Dingen dem Herrn Reichskanzler, als dem Führer des
Volkes, und den übrigen hohen Regierungsbeamten des Deutschen Reiches und der
Länder Kenntnis zu geben, wurde das vorstehend kurz Gesagte in anliegender Er-
klärung ausführlich niedergelegt.
Diese beigefügte Erklärung wurde vom Sekretär der fünftausend Delegier-
ten der Bibelforscherkonferenz vorgelesen und von dieser einstimmig gebilligt
und angenommen mit dem Auftrag, je ein Exemplar dieser Erklärung zusammen mit
diesem Versammlungsbericht dem Herrn Reichskanzler und den übrigen hohen Re-
gierungsbeamten des Reiches und der Länder zu überreichen.
Dies geschieht hierdurch mit der ergebenen Bitte, dem in der Erklärung
zum Ausdruck gebrachten Ansuchen geneigtest entsprechen zu wollen:
Nämlich, einer Kommision aus unserer Mitte Gelegenheit zu geben zur
verantwortlichen Darlegung des wahren Sachverhaltes vor dem Herrn Reichskanzler
oder dem Herrn Reichsminister des Innern persönlich. Andernfalls wolle der Herr
Reichskanzler eine Kommision von Männern bestimmen, die nicht durch religiöse
Vorurteile gegen uns eingenommen sind, also von Männern, die selbst nicht beruf-
lich religiös interessiert sind, sondern die wirklich nur - den für solche Fälle
geltenden gerechten und vom Herrn Reichskanzler selbst aufgestellten Grundsätzen
entsprechend - unsere Angelegenheit vorurteilslos prüfen würden. Mit diesen
Grundsätzen meinen wir das im Punkt 24 des Programms der Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei Gesagte:
"Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit
sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl
der germanischen Rasse verstossen.
Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christen-
tums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden. Sie be-
kämpft den jüdisch-materialistischen Geist in und ausser uns und ist überzeugt,
dass eine dauernde Genesung unseres Volkes nur erfolgen kann von innen heraus---"
Wir sind fest überzeugt, dass - wenn man uns religiös vorurteilslos
erstens nur nach Gottes Wort und zweitens diesen angeführten Programmpunkten
nach beurteilt - die nationale Regierung Deutschlands keinerlei Ursache finden
wird, unsere Gottesdienste oder unsere Missionstätigkeit zu hindern.
In Erwartung einer baldigen gütigen Zusage, und mit der Versicherung
unserer allergrössten Hochachtung, sind wir, sehr verehrter Herr Reichskanzler,
ergebenst
Watch Tower Bible and Tract Society
M a g d e b u r g