Besessenheit in der Religion [Bearbeiten]Im christlichen Kontext wird die Besessenheit im Neuen Testament beschrieben. Die Evangelien berichten von zahlreichen Heilungen Besessener durch Jesus im Sinne einer „Austreibung” (Exorzismus) in der geistigen Tradition des Judentums. Ursachen der so verstandenen Besessenheit sollen Verfluchungen und Teufelspakte, aber auch „widernatürlicher Sexualverkehr” sein.
Angenommene Besessenheit wird häufig als negativ oder krankhaft bewertet. Deshalb wird sie in vielen Religionen auch als Krankheits-Ursache gesehen, obwohl sie, nach anderem Verständnis, nur Symptom ist. Die Folge ist typischerweise die Durchführung von Ritualen, die eine befallene Person von dem fremden Bewusstsein befreien soll, so z.B. der amtskirchliche Exorzismus in der Katholischen Kirche.
In afrikanischen Kulturen und sich daraus ableitenden synkretistischen Religionen (Voodoo, Santería, Candomblé, u.Ä.) gibt es einen Zustand der Trance oder künstlich herbeigeführten temporären Besessenheit, der sogar erwünscht ist, in dem Götter oder Geister Verstorbener, meist sogenannte „Ahnen”, von den Menschen Besitz ergreifen sollen, wie es z.B. der Regisseur Jean Rouch im Film Les Maitres Fous darstellte.
Bourguinon stellte fest, dass in 90 Prozent der von ihr untersuchten 488 über die ganze Welt verteilten Kulturen Trancerituale institutionalisiert sind bzw. waren. Besessenheitstrancen, bei denen der Betroffene sich als von einem Dämon beherrscht und seiner Identität während der Dauer der Trance beraubt erlebt (Oft besteht nach der Trance eine retrograde Amnesie für die Zeit der Trance), herrschen dabei in Kulturen vor, die der Kulturstufe des Ackerbaus und der Viehzucht angehören. In diesen typischerweise männerdominierten Kulturen werden vornehmlich Frauen von Besessenheit „befallen”, was ihnen möglicherweise ein „Ventil” für die aufgestauten Aggressionen und anderen negativen Gefühle verschafft, die sich als Folge ihrer unterdrückten Lage, z.B. aus Konflikten mit Nebenbuhlerinnen und Schwiegermüttern ergeben. Das Verbot, die negativen Gefühle auszudrücken bzw. auszuleben, kann durch die Institution der Besessenheitstrancen unterlaufen werden, da die Verantwortung nicht der Betroffenen, sondern dem Dämon zugewiesen wird.
Angenommene Besessenheitsphänomene polarisieren stark. Sie werden zum einen von der römisch-katholischen Kirche als Beleg der Existenz dämonischer Wesen verstanden und dienen, wie schon im Neuen Testament, aufgrund der Wirkung des Exorzismus als Beleg für die Wahrheit des Glaubens. Andererseits werden sie von Skeptikern für Symptome von psychischen Erkrankungen oder organischen Störungen (z.B. Epilepsie) gehalten